Lenition (lat. lenere = schwächen) bedeutet, daß ein Konsonant ohne Stop des Luftflußes gesprochen wird. [1 ]
Das Prinzip ist die Spirantisierung: Ein Plosiv (Stoplaut) wird durch den an der selben Stelle im Mund gebildeten Frikativ (Reibelaut, Spirant) ersetzt.
Die dentalen Frikative (die "Lispellaute" [ð] und [θ]) als Folge der Lenition von d und t wurden jedoch im Laufe der Zeit durch die velaren, palatalen bzw. glottalen Frikative ([γ], [γ′] und [h]) ersetzt.
Der lenierte Konsonant wird durch ein folgendes h gekennzeichnet.
(In alter Schreibweise auch nur durch einen Punkt über dem Konsonanten)
Konsonant
leniert
Aussprache
breit
schlank
b
bh
[w], [v]
[v′]
c
ch
[x]
[x′]
d
dh
[γ]
[γ′]
f
fh
[Ø]
[Ø]
g
gh
[γ]
[γ′]
m
mh
[w], [v]
[v′]
p
ph
[f]
[f′]
s
sh
[h]
[h], [x′]
t
th
[h]
[h], [x′]
l, n, r, sowie h, j, v, w, z werden zumindest schriftsprachlich nicht leniert (l, n, r jedoch mündlich in einigen Dialekten)
Zur Aussprache lenierter Konsonanten am Wortanfang:
Breites gh/dh ist ein [γ], ein "stimmhaftes ch", also fast wie ein (ungerolltes) deutsches Zäpfchen-r (z.B. in "Bratpfanne"), schlankes gh/dh wie deutsches j.
Auch in vielen deutschen Mundarten (z.B. dem Berlinischen) wird der Buchstabe g übrigens oft genauso "leniert", z.B. in "ick saghe" für "ich sage" ("breites gh", oft auch "r" geschrieben), oder "Jurke" für "Gurke" ("schlankes gh")
dh war ursprünglich gleich dem engl. stimmhaften th [ð] (wie in that). Jetzt wird dh jedoch wie gh ausgesprochen.
th wurde ursprünglich wie engl. stimmloses th [θ] (wie in thing), jetzt jedoch nurmehr wie [h] gesprochen.
sh und th werden wie [h] ausgesprochen, nur vor langem a,o,u erscheint ein schlankes sh, th als [x′] (wie ch in dt. ich): a Sheáin [ə x′a:n′], mo sheol = mein Segel [mə x′o:l], nuair a thiocfaidh tú = wenn du kommen wirst [nuər′ ə x′u:kə tu:], z.T. auch bei síl: ní shílim = ich denke nicht [ni: x′i:ləm′]
bh: [v] und [v′] werden im Gegensatz zum Deutschen ursprünglich bilabial (eigtl.also [β] und [β′]) gesprochen. Statt des breiten bilabialen Konsonanten [β] kommt oft der Halbvokal [w] am Wortanfang vor, [v] hingegen vor allem in Munster.
mh führt im Gegensatz zu bh z.T. zu einer Nasalisierung des benachbarten Vokals, sonst sind beide Laute gleich.
f und s sind ohnehin Frikative, daher ist fh völlig stumm, sh wird wie [h] ausgesprochen.
Verhinderung der Lenition durch homologe Konsonanten (an cadad)
Beginnt ein Wort mit einem Konsonanten, der am gleichen (homologen) Bildungsort im Mund gebildet werden, wie der Endkonsonant des vorherigen Wortes, wird Lenition verhindert.
In alten Grammatiken (z.T. aber auch neueren Schriften) wird dieses Phänomen mit dem alten Begriff cadad (verwandt mit cadó = Umhüllung) bezeichnet.
Ursache des Phänomens:
Da homologe Konsonanten am gleichen Ort im Mund gebildet werden, lassen sie sich unproblematisch und ohne Aufwand nacheinander sprechen, eine Lenition ist daher zur Sprecherleichterung (ursprüngl. Sinn der Lenition) nicht notwendig. Im Gegenteil könnte durch die Lenition gar eine Sprecherschwernis auftreten, da zunächst der Wechsel von Plosiv zu folg. Frikativ am selben Bildungsort schwer umzusetzen ist, zum anderen manche lenierte Laute heute an anderen Orten im Mund gebildet werden (namentlich th, sh, dh). Dies bedeutet daher unter Umständen einen Mehraufwand für den Sprecher, der vermieden werden soll.
Am stärksten beachtet wird die Regel bei den sog. Koronalend, n, t, l, s, nach den betroff. Buchstaben auch als "dentals"-Regel bezeichnet. Insbes. durch die lenierende Artikelform an (fem. Nominativ, mask. Genitiv, Dativ nach einigen Präpositionen) kommt es zur häufigen Anwendung dieser Regel.
Bei den Labialenb, m, p und bei den Velarenc, g spielt diese Regel indes nur eine geringe Rolle, da diese Laute jeweils seltener in entsprech. Umgebung aufeinanderstoßen und die lenierten Laute weiter am selben Ort gebildet werden.
Hier die einzelnen Konsonantengruppen:
Koronale: d, n, t, l, s:
d, n, t, l, s werden durch die Zungenspitze (Korona) gebildet, daher "Koronale".
d, t, s werden nicht leniert, wenn sie nach Wörtern stehen, die auf d, n, t, l, s enden. (= "dentals"-Regel)
z.B.: don doras = zur Tür (nicht: *don dhoras)
In der Standardgrammatik gilt die dentals-Regel nicht für für attributive Adjektive und definite Substantive im Genitiv.
z.B.: bean dheas = eine nette Frau (dialektal auch: bean deas)
In Connacht und im Standard greift die dentals-Regel auf die Eklipse nach Präposition und Artikel über, d.h. Wörter auf d, t werden nicht eklipsiert nach dem -n des Artikels.
Labiale: b, m, p:
b, m und p werden oft nach Wörtern, die auf -m (seltener auf -b, -p) enden, nicht leniert, so insbes. nie nach der Präposition um.
z.B. um bosca = um eine Kiste In Munster wird nach im (< i mo), dom (< do mo), lem (< le mo) u.ä. die Konsonanten b, m, p nicht leniert.
z.B.: im póca = in meiner Tasche (Standard: i mo phóca)
In solchen Situationen wird oft [b] gesprochen, wenn m sonst leniert würde (d.h. -m m- wird zu -m b- dissimiliert)
z.B. dom muintir [dəm bin′t′ər′] = zu meinen Leuten (Standard: do mo mhuintir)
agam mac [əgum bak] = bei meinem Sohn (Standard: ag mo mhac)
lem máthair [lem bɑːhər′] = mit meiner Mutter (Standard: le mo mháthair)
Velare bzw. Palatale: c, g:
c und g werden gelegtl. nicht leniert, wenn sie aufeinanderfolgen.
Stets nicht leniert wird z.B. c und g bei Nachnamen nach den Bestandteilen Mhic, Nic, die sonst Lenition erfordern.
z.B. Bríd Nic Cárthaigh = Bridget MacCarthy, teach Sheáin Mhic Gabhann = Seán MacGowans Haus
Ursprünglich nur nach dem Artikel an, mundartlich aber auch nach einigen anderen Wörtern und Vorsilben, die auf -n enden, erfolgt "statt" Lenition der Wechsel von s- zu ts- (siehe t-Vorsatz)
sc-, sp-, st-, sm-, sf-, spl-, spr-, scl-, scr-, str- bleiben stets unleniert. (Da [h] vor stimmlosen Konsonanten stumm bliebe.)
f:
fh ist stets stumm, daher wird ein mit fh + Vokal beginnendes Wort wie ein Wort mit vokalischem Beginn behandelt: z.B.: m’fhear céile = mein Ehemann (nicht: *mo fhear céile), D’fhoghlaim mé Gaeilge. = Ich lernte Irisch. (nicht: *Fhoghlaim mé Gaeilge)
Dies gilt im Falle der Verbalpartikel do/d’ auch, wenn auf f ein weiterer Konsonant (l, r) folgt.
z.B.: D’fhreagair sé an cheist. = Er beantwortete die Frage. (nicht: *Fhreagair sé an cheist), jedoch das Verb fliuch oft ohne d’, z.B.: Fhliuch sé an tae = Er befeuchtete den Tee. In anderen Fällen (z.B. beim Possessivpronomens mo und do) gilt es nicht, wenn ein weiterer Konsonant (l, n, r) folgt, d.h. hier steht gewöhnlich mo und do, nicht m’ und d’
z.B.: do fhreagra = deine Antwort
Nach gan wird f nie leniert.
z.B.: gan fear = ohne einen Mann
Sollte sich ein Wort mit f durch die Lenition zu stark in der Aussprache verändern und dann nicht mehr erkennbar sein, wird wahlweise auf die Lenition verzichtet.
(So wird das Wort fuisce = Whiskey nie leniert, da es sonst mit uisce = Wasser zusammenfiele: droch-fuisce = schlechter Whiskey, droch-uisce = schlechtes Wasser)
l, n, r:
in der Schriftsprache werden diese nicht erkennbar leniert.
In gesprochenem Irisch ist jedoch in vielen Dialekten ein Unterschied hörbar: ein Wechsel von gespanntem l, n ([ʟ], [ɴ]) zu laxem l, n ([l], [n])
z.B.: unleniert: an leabhar [ə ʟ′aur] > leniert: mo leabhar [mə l′aur]
(l, n wird nach d, n, t, l, s nicht leniert, s.o. homologe Konsonanten.)
Beim r ist diese Unterscheidung ([r]/[ʀ]) heute unüblich. Es steht am Wortanfang stets breites [r]. In Munster kommt es nun gelegtl. dazu, daß anstelle der Lenition am Wortanfang doch schlankes [r′] vor e, i auftritt: z.B. a rí = König! [ə r′i:] (Vokativ von rí [ri:])
Lenition als grammatisches Mittel betrifft den Wortanfang der:
Substantive:
nach Vokativ-Partikel a: a Cháit! = Kate!, a Sheáin! = John!
feminine Substantive im Nominativ nach Artikel an (außer d, t) bei s: s zu ts (wenn s vor Vokal oder vor l,n,r)
maskuline Substantive im Genitiv nach Artikel an (außer d, t) bei s s zu ts (wenn s vor Vokal oder vor l,n,r)
in unbestimmten Genitiv-Attributen nach femininen Substantiven und nach schwachem Plural (jedoch viele Ausnahmen, mehr dazu siehe unter Genitiv)
nicht durch Artikel bestimmte Substantive und Eigennamen als Genitiv-Attribut (egal ob Bezugswort maskulin oder feminin): muintir Cháit = Kates Eltern, stáisiún bhus a trí = die Haltestelle des Busses Nr. 3
Substantive im ("funktionellen Genitiv") (unabhängig davon, ob das Bezugswort maskulin oder feminin ist):
z.B. obair bhean an tí = Arbeit der Hausfrau, Lá Fheile Pádraig = St.Padrick’s Day (wörtl. "Tag des Festes des Patrick")
Substantiv-Attribute in zusammengesetzten Wörtern (wenn 2. Teil nicht im Genitiv steht): scian phóca = Taschenmesser
Subst.Sing. nach Zahlen 1-6 (jedoch nicht nach 3-6, wenn Substantiv im Plural folgt) nach aon mundartlich auch s zu ts
nach beirt, dís (Personalzahl 2), nicht jedoch nach triúr etc.!
nach an chéad (der/die erste), nicht jedoch nach an dara, an tríú, etc.!
nach Possessivpronomen mo, do, a (a nur, wenn 3. Person Sing. maskulin gemeint ist)
nach Präpositionen wenn ohne Artikel ar, ó, do, de, faoi, idir, mar, roimh, thrí, thar, gan (zu Besonderheiten nach ar, idir, gan siehe dort)
nach don, den bei s auch: s zu ts (im Standard und in Connacht nur bei fem. Substantiven
nach sa(n) im Standard, Ulster und Munster (in Connacht stets, in Munster bei f stattdessen Eklipse)
in Ulster stets nach Präposition + Artikel
nach uile ( = alle, ganze)
in Nachnahmen nach Ní, Uí, Mhic, Nic nicht jedoch nach Ó, nur bei einigen Namen (jüngerer Entstehung) nach Mac
Verben:
generell im Präteritum (außer der autonnomen Form), im Imperferkt und Konditional (eigtl. bedingt durch die Partikel do, die Partikel selbst ist heute jedoch meist nur als d’ vor Vokal und fh üblich): bhí sé = er war, chaith sé = er warf, d’fhoghlaim sé = er lernte
nach der Partikel ní und den Präteritum-Verbalpartikel bzw. -Konjunktionen auf -r: ar, gur, nár, níor, murar, sular, ach ar
nach der direkten Relativ-Partikel a (außer tá, deir): an teach a thógfaidh sé = das Haus, das er bauen will
nach má (außer tá, déir)
Verbalnomen nach der Präposition a ("zu") tú a phósadh = dich zu heiraten
Adjektive:
nach einem femininen Substantiv im Nominativ: an bhean mhór = die große Frau
nach einem maskulinen Substantiv im Genitiv an fhir mhóir = des großen Mannes
nach Substantiven im schwachen Plural, das auf schlankem Konsonanten endet: na fir mhóra = die großen Männer
nach den Präpositionen mit Artikel im Dativ
in jenen Dialekten, in denen Lenition des Substantivs erfolgt (Ulster), sowohl nach femininen wie maskulinen Substantiven
z.B.: leis an bhean mhór = mit der großen Frau, leis an fhear mhór = mit dem großen Mann, don fhear mhór = dem großen Manne
In den Dialekten in denen Eklipse des Substantivs nach den Präpositionen mit Artikel vorherrscht, werden Adjektive nur nach femininen Substantiven leniert
z.B.: leis an mbean mhór = mit der großen Frau, aber: leis an bhfear mór = mit dem großen Mann Auch nach Präpositionen mit Artikel, nach denen auch das Substantiv leniert wird, wird das Adjektiv nur nach maskulinen Substantiven leniert.
z.B.:don bhean mhór = der großen Frau, aber: don fhear mór = dem großen Manne
unmittelbar nach den Zahlen 2-6: z.B. is trí mheasa é = es ist dreimal so schlecht
nach bzw. mit den Zahlen 2-19 und Substantiv im Singular:
z.B.: seacht mbád mhóra = 7 große Boote
nach der Personalzahl beirt und Substantiv:
z.B.: beirt mhac bheaga = 2 kleine Söhne
allgemein:
nach Praefixen: an-mhaith, fíormhór, seancharr etc.
der jeweils zweite Teil bei zusammengesetzten Wörtern
Wörter nach Kopulaformen im Präteritum/Konditional (Grundform ba)
z.B.: ba mhaith liom = ich möchte (v.a. in Ulster, Connacht werden Adjektive mit t, d, s nach ba nicht leniert. z.B.: ba deas, ba te, ba sásta)
déag nach auf Vokal endendem Wort im Singular z.B.: seacht hata dhéag = 17 Hüte
déag nach schwachem Plural auf schlanken Konsonanten (außer cinn): z.B.: trí fir dhéag
déag ist leniert nach dó (nicht aber nach trí, sé, naoi) a dó dhéag = zwölf
einige Wörter sind stets leniert (z.B.: dhá = zwei, bhur = euer, cheana = schon, choíche = immer, chomh = so, chun = zu, ähnlich auch dialektal bei dhuit = zu dir, dhá = zu seinem, wenn, cheithre = vier)
Lenition im Wortinneren und am Wortende
Im Wortinneren (außer bei zusammengesetzten Wörtern am Anfang des zweiten Teilwortes) und am Wortende ist die Lenition im Schriftbild allein aufgrund der histor. Lautentwicklung zu erklären und ohne grammatische Funktion. Die heutige Aussprache ist hier oft sehr unterschiedlich, oft verstummen hier lenierte Konsonanten ganz oder werden zu Vokalen (z.B. abh [au]). Die einstige "Lenition" ist nur noch durch die etymologisch-historische Schreibung sichtbar.
[1 ]
Lenition wird manchmal fälschlicherweise auch Aspiration genannt. Aspiration ("Behauchung") i.e.S. ist allerdings eigtl. eine weitaus schwächere Veränderung des Lautes
(ein p bleibt p, auch wenn behaucht gesprochen). Im Deutschen werden stimmlose Plosive stets behaucht gesprochen. Auch ein klass. griech. φ ("ph") war nur aspiriert, aber dennoch ein p und kein f. Dadurch erklärt sich auch die lat. Umschrift als "ph".
(Erst später wurde im Griechischen und Lateinischen auch ph wie f ausgesprochen).
Bei der irischen Lenition wurde jedoch ein leniertes p stets wie f gesprochen. Daher ist der Begriff Aspiration hier eher falsch.