Caibidil a Ceathair Déag:

Anlautveränderungen (Na hAthruithe Tosaigh) 

Gramadach na Gaeilge

Allgemeines

Anlautveränderungen oder -mutationen sind Änderungen des Wortanfangs, die zu grammatischen Zwecken benutzt werden. Solche Veränderungen des Wortanfangs erscheinen zunächst ungewöhnlich und treten im Deutschen nicht auf. Sie sind jedoch typisch für alle heute lebenden keltischen Sprachen.

Das Nichtauftreten von Anlautveränderungen (d.h. weder Lenition noch Eklipse, jedoch unter best. Bedingungen h-Vorsatz vor Vokal) erhält als besondere Form in irischen Grammatiken einen eigenen Namen: an lomadh = die Entblößung, Radikalform.

Ursachen der Anlautveränderungen

Wörter eines Satzes werden im Irischen zusammengezogen und ohne Pause gesprochen. Pausen werden geradezu gemieden, mancher Satz erscheint so gesprochen aus nur einem Wort zu bestehen. (Es besteht quasi ein "horror vacui" = eine Angst vor der Leere.)
Die Einzelwörter beeinflussen sich so gegenseitig in der Aussprache (was allgemein als "Sandhi" bezeichnet wird), ähnlich wie es auch im Französischen auftritt (dort "Liaison" genannt, vgl.: les amis [lezami]), um den ungehemmten Redefluß zu ermöglichen.
Im Deutschen bleiben die Wortanfänge und -enden hingegen weitgehend voneinander getrennt und unverändert.
Ein weiteres: Ähnlich wie im Französischen erscheinen unter bestimmten Umständen sonst verstummte Laute wieder im Zusammenhang (französisch z.B. das meist stumme s von les). Anders jedoch als im Französischen werden diese gewöhnlich verstummten Laute im Irischen nicht geschrieben. Erst, wenn sie wieder hörbar werden, erscheinen sie als "t-, h-, n-Vorsatz" oder führen zu Lenition und Eklipse.
Anders auch als im Französischen wurden diese Veränderungen des Anlauts auch zu einem eigenen Mittel, grammatische Beziehungen der Wörter auszudrücken, und wurden so verallgemeinert.
Hier können nicht alle Gründe für Anlautveränderungen erwähnt werden, nur einige der wichtigsten.

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Lenition

Lenition erleichtert den Redefluß, da hierbei hinderliche Stoplaute verschwanden. Stoplaute bewirken einen Stop des Luftflusses, behindern dadurch auch den Redefluß.
Ursache der Lenition war im frühen Irischen die Lage des Mitlautes zwischen zwei Vokalen, sowohl innerhalb des Wortes als auch über Wortgrenzen hinweg.
Endete also ein Wort auf einen Vokal und begann das nächste Wort mit Konsonant + Vokal (was meist der Fall war), so lag dieser Konsonant nun zwischen 2 Vokalen und wurde leniert.
Heute sind diese einstigen Endvokale meist abgeschliffen und fehlen, die Lenition wurde im Laufe der Zeit zu einem Mittel der Grammatik, das dort eingesetzt wird, wo früher vokalische Endungen aufgetreten sind.
Zum Beispiel:  Der weibliche Artikel war ursprünglich länger und endete auf den Vokal -a (*sinda). Im Laufe der Zeit wurde er zu an verkürzt, die Lenition danach blieb jedoch erhalten. Dies erklärt die Lenition femininer Substantive nach dem Artikel.
Der maskuline Artikel (*sindos) lautete im Genitiv Singular *sindi, endete auf einen Vokal und löste so auch Lenition aus.
Das maskuline Possessivpronomen a (*esyo) ist ein alter Genitiv Singular des Personalpronomens. Genau wie der Genitiv Singular des mask. Artikels wird danach Lenition ausgelöst.
Weibliche Substantive endeten einst im Nominativ mit großer Vorliebe auf den Vokal -a (wie es ja auch im Lateinischen der Fall ist), daher werden nachfolgende Attribute (d.h. folgende Adjektive und Substantive im Genitiv) noch heute leniert (wobei die Lenition heute generalisiert ist und auch nach femininen Substantiven auftritt, die einst nicht auf -a endeten).

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Eklipse und n-Vorsatz

Eklipse und n-Vorsatz treten da auf, wo einst das vorgehende Wort auf einen Nasal (m, n, ng, zumeist n) endete.
Diese End-Nasale führten als Mittel der Sprecherleichterung zu Veränderungen des Wortanfangs des folg. Wortes: Ein stimmloser Konsonant ist nach stimmhaften -m oder -n schwer zu sprechen, er wurde daher stimmhaft gemacht (also z.B. p zu b, t zu d), da -mb- und -nd- leichter zu sprechen sind als -mp- und -nt-. Im Laufe der Zeit verschwanden viele dieser End-Nasale, die Veränderung des Anfangslauts folgender Wörter blieb jedoch erhalten und wurde gar als grammatisches Mittel generalisiert.

So endeten z.B. die Zahlwörter seacht = sieben, naoi = neun und deich = zehn früher auf einen Nasal -m bzw. -n (vgl. Lateinisch septem, novem, decem oder deutsch sieben, neun, zehn).
Dieser Nasal fiel im Irischen eigtl. seit langem weg; dennoch ist es in der bis heute üblichen Eklipse erhalten. (z.B. seacht mbád = sieben Boote). Nach ocht = acht wird heute in Analogie zu 7, 9, 10 ebenfalls eklipsiert, obwohl die Zahl 8 nie auf einem Nasal endete.
Da die Präposition "i" einst, wie im Deutschen, "in" lautete, also auf einen Nasal endete, erklärt sich die darauf folgende Eklipse. Die Eklipse macht andererseits auch das -n in "in" überflüssig, so daß die Präposition heute nur mehr "i" lautet.
Daß die Konjunktion go (auch als heute seltene Präposition im Sinne von "mit") Eklipse auslöst, liegt am verlorenen Nasal (vergleiche das urverwandte lateinische Gegenstück cum).

Nach Präposition + Artikel kann dialektabhängig Eklipse oder Lenition auftreten. Ursache dessen sind einst unterschiedl. Artikelformen, je nachdem, ob Akkusativ oder Dativ verwendet wurde. Genau wie im Deutschen war nach Präpositionen Akkusativ oder Dativ möglich (je nach gewünschter Bedeutung: Bewegung oder Lage, im Deutschen z.B.: auf dem Tisch und auf den Tisch). Die ursprüngliche Akkusativ-Singular-Form des Artikels war *sindon (masc.) bzw. *sindan (fem.). Es endete also mit einem -n als Nasal, daher folgt heute die Eklipse: ar an mbord = auf den Tisch.
Die Dativ-Form des Artikels war *sindu (mask.) oder *sinda (fem.), die aufgrund des Endvokals zur Lenition führte. In Ulster ist daher heute noch nach Präposition und Artikel stets Lenition üblich.
Heute gibt es diese inhaltliche Unterscheidung von Dativ und Akkusativ nach Präposition nicht mehr. Nach den meisten Präpositionen folgt stets der Dativ oder was davon übrigblieb. Ob hingegen Lenition oder Eklipse angewendet wird, ist nur mehr eine Frage des Dialekts (Connacht/Munster: ar an mbord = auf dem/den Tisch, Ulster: ar an bhord = auf dem/den Tisch)

Im Genitiv Plural lautete der Artikel ebenfalls *sindan, so daß auch hieraus Eklipse resultiert.
Die Plural-Possessivpronomen ár, bhur, a sind alte Genitiv-Plural-Formen der Personalpronomen, endeten ebenso auf Nasal (*saron, *svaron, *esyon) und lösen somit heute ebenfalls Eklipse aus.

Manche Relativa (die indirekte Relativpartikel und die beiden Relativpronomen), aber auch die Konjunktion dá (de + a) gehen auf den sächlichen Artikel a zurück, der einst wie sächliche Substantive auf einen Nasal endete (vgl. lat. sächl. Substantive) und somit Eklipse verursacht.

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t-Vorsatz

Der t-Vorsatz ist der Rest des  -d- des Artikels, das sonst verschwundenen ist.
Der männliche Artikel lautete ursprünglich *sindos. [ 1 ] Dies wurde im Laufe der Zeit verkürzt zum heutigen  an.
Die Endung -os ging vor Konsonanten früh verloren, auch das -d- entfiel (besser gesagt: -nd verschmolz zu -n). Vor Vokalen jedoch wurde die Endung -os leniert und also [oh] gesprochen. Das -h führte (nach Ausfall des -o-) dazu, daß das -d- des Artikels stimmlos zu -t wurde (sindos > sindoh > sindh > sint)
Das -d von *sindos blieb somit vor Vokalen erhalten (*sind) und wurde stimmlos ("t"), also in etwa *sint, es verlor zudem sein s (int). Heute wird dies nur anders geschrieben (an t-, z.B.: an t-ull = der Apfel).
Der weibliche Artikel endete auf -a (*sinda). Ein nachfolgendes Wort mit s wurde leniert zu sh, das [h] gesprochen wird (z.B. *sinda shulis). Das -d des Artikels wurde durch das [h] (nach Ausfall des -a) wiederum stimmlos zu t- (*sint’ shulis > *int’ shulis) Heute lautet dies an tsúil = das Auge.

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h-Vorsatz

Heute kann man den h-Vorsatz als "Sprecherleichterung zwischen zwei Vokalen" erklären und wird so auch genutzt.
Eigentlich ist es jedoch oft das lenierte End-s des vorgehenden Wortes, das heute sonst nicht mehr da ist. (leniertes s wird [h] gesprochen).
Wie auch in anderen indoeuropäischen Sprachen waren Endungen auf -s einst sehr beliebt und ausgesprochen häufig (vgl. die lat. Endung -us, griech. -os, litauisch -as, altkelt. -os)
z.B. das Possessivpronomen der 3. Pers. sing. fem. a = ihr: Es lautete früher *esjas, dessen s zwischen Vokalen zu [h] leniert wurde. Daher heute h-Vorsatz vor Vokal nach a = ihr.
Ähnlich endete der feminine Artikel im Genitiv-Singular auf -s (*sindas), so daß auch hier h-Vorsatz erfolgt.
Der (feminine) Nominativ-Plural-Artikel na lautete dereinst ebenso *sindas.

Der maskuline Nominativ-Artikel lauete zwar *sindos, jedoch war diese Endung -os wohl vokalschwächer und wirkte anders: das lenierte End-s machte nach Verstummen des -o- das -d stimmlos zu -t, so daß vor Vokal der t-Vorsatz übrigblieb (sindos > sindoh > sind-h > sint > an t-)


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© Lars Braesicke 2000

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[ 1 ] Die Ähnlichkeit von sindos zum heutigen Demonstrativpronomen sin ist nicht zufällig.
Auch im Deutschen stammen Artikel und Demonstrativpronomen aus einer Quelle.
(vgl. bei: das Haus kann das Wort "das" Artikel oder Demonstrativpronomen ["= jenes Haus"] sein. Im Satz: Das ist ein Haus ist "das" hingegen stets Demonstrativpronomen)

(Anmerkung: mit * werden alte oder erschlossene Formen bzw. auch bewußt orthographisch fehlerhafte Formen gekennzeichnet)